Villenkolonie
Der kleinste Dreieicher Stadtteil birgt zugleich eine der größten Sehenswürdigkeiten der Stadt: die Villenkolonie Buchschlag, ein architektonisches und städtebauliches Juwel vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie ist bis heute eine der schönsten und größten Gartenstädte und in ihrem Erhaltungszustand einzigartig in Deutschland. 93 ihrer Häuser stehen unter Einzeldenkmalschutz, als Gesamtanlage ist Buchschlag das flächenmäßig größte denkmalgeschützte Ensemble im Kreis Offenbach.
Gegründet hat sie 1904 der Frankfurter Großkaufmann und Sozialreformer Jakob Latscha. Ihm schwebte eine genossenschaftlich organisierte Siedlung für kleinere Angestellte, Beamte und Handwerker vor – im Grünen, aber doch in der Nähe zu Frankfurt, mit Gärten, die mindestens 1.000 Quadratmeter groß sein mussten. Zu diesem Zweck erwarb Latscha Land mitten im Wald unweit des Bahnhofs Sprendlingen der Rhein-Neckar-Bahn.
Die meisten Flächen dort gehörten zum Besitz des Großherzogs von Hessen, Ernst Ludwig. Dieser ließ sich von Latschas Plänen überzeugen, verfolgte aber bald ganz eigene Ideen. Statt für bezahlbare Häuschen begeisterte er sich für wegweisende Architektur. Die spektakuläre Jugendstilanlage der Mathildenhöhe in Darmstadt war gerade fertig, nun setzte der Großherzog seine bevorzugten Baumeister daran, eine Kolonie mit eindrucksvollen Villen in Buchschlag zu errichten. Der Darmstädter Städteplaner Friedrich Pützer entwarf den Bebauungsplan. Dieser gab nicht nur die Gestaltung der Häuser vor, sondern umfasste als großer Entwurf die gesamte Anlage. Vom Verlauf der Straßen und Wege über die Anlage der Gärten bis hin zu den Materialien und Farben von Fenstern, Zäunen und Gartenmöbeln legte Pützer alles genau fest. Vierzehn Architekten setzten seine Pläne um, darunter bedeutende Namen wie Wilhelm Koban, Ludwig Bernoully oder Alois Beck. Es gelang ihnen, ein ästhetisch einheitliches Ensemble zu schaffen, das aber aus deutlich individuellen Häusern besteht.
Latschas Idee war damit zwar gescheitert, aber sein Geist beseelt heute noch die Villenkolonie: Die Buchschlager engagieren sich tatkräftig für ihre Gemeinschaft, und sie laden gerne Gäste ein – bei den „Dreieicher Musiktagen“ zu Konzerten in ihre Häuser und bei den „Offenen Gärten Buchschlag“ zu Veranstaltungen in ihre Gärten.