Darüber hinaus hat der Kreis für 2022 die Zuweisung 180 weiterer Flüchtlinge aus anderen Kriegs- und Krisengebieten angekündigt. Zudem haben soweit bekannt bislang mehr als 200 Menschen auf privaten Wegen den Weg aus der Ukraine nach Dreieich gefunden. Das erschwert die Planbarkeit der Maßnahmen, denn nicht immer sind alle Informationen zu den Menschen verfügbar. Im Gegensatz zum Flüchtlingszustrom 2015/16 erfolgt keine zentrale Erfassung der Flüchtlinge aus der Ukraine, sondern jeder kann sich drei Monate lang frei und ohne Erfassung in Deutschland aufhalten. Eine große Herausforderung für die Mitarbeitenden im Dreieicher Rathaus, insbesondere für den Fachbereich Soziales, Schule und Integration (FB2), zu dem auch die Flüchtlingsbetreuung gehört.
Auch wenn die Erfahrungen des Flüchtlingszustroms 2015/16 eine wichtige Basis der Arbeit in der Flüchtlingshilfe, -beratung und Integrationsarbeit sind, so stellt der Krieg gegen die Ukraine und die Folgen für die Menschen die Verwaltung vor neue Aufgaben. So treffen aus der Ukraine neben Klein- und Großfamilien entgegen den ersten Annahmen auch allein reisende Männer ein, die von Afghanistan bis Turkmenistan aus unterschiedlichen Teilen der Welt kommen und aus verschiedensten Gründen in der Ukraine gelebt haben und nun ebenfalls vor dem Krieg geflüchtet sind. All diese verschiedenen Flüchtlingsgruppen gut und angemessen unterzubringen, ist vor dem Hintergrund des verschärften Wohnraummangels eine der größten Herausforderungen. Zurzeit werden die bislang vom Kreis zugewiesenen Flüchtlinge aus der Ukraine in Hotels sowie im JUZ Benzstraße untergebracht. Darüber hinaus werden die Wohnungsangebote bearbeitet, die bei der Stadt eintreffen. „Wir sind immer wieder dankbar für das große Engagement der Dreieicher Bürgerinnen und Bürger und die Vielzahl der Angebote“, sagt Kerstin Briese, Ressortleitung Beratung und Quartierarbeit im FB2. „Leider reichen die bisherigen Einzelwohnungen nicht aus, um die Betroffenen langfristig unterzubringen. Denn wir benötigen nicht nur kleine Einliegerwohnungen, sondern auch bezahlbare Mehrzimmerwohnungen, um beispielsweise die Nachfragen einer Frau mit mehreren Kindern sowie den Eltern und Großeltern zu befriedigen“, stellt Kerstin Briese fest. Denn mittlerweile mehren sich auch die Nachfragen der vorerst privat untergebrachten Flüchtlinge nach angemessenem Wohnraum.
Um die Immobilienthemen kümmert sich innerhalb des mittlerweile achtköpfigen Ukrainehilfeteams im Schwerpunkt die DreieichBau AöR, die zum Beispiel mit den Vertragsabschlüssen beauftragt wurde. Hier sind die Bauprofis auch auf der Suche nach Großimmobilien, um kurzfristig eine größere Anzahl von Flüchtenden unterzubringen. „Die Planung einer Unterbringung für mehrere hundert Flüchtlinge ist recht aufwendig“, sagt Dirk Böttcher, Technischer Vorstand der DreieichBau AöR. So muss abgewogen werden, ob ein Grundstück für ein Containerdorf zur Verfügung steht oder vielleicht eine leer stehende Gewerbeimmobilie geeignet sein könnte. Denn es müssen zahlreiche Auflagen wie die Anzahl der Duschen, barrierefreie Toilette, Kochmöglichkeiten und vieles mehr berücksichtigt werden. „Wir können insbesondere gewerbliche Mietobjekte nicht ohne Weiteres umbauen, um alle Auflagen zu erfüllen. Vom Abwasser bis zu Brandschutzauflagen gibt es viele Aspekte zu prüfen und zu bedenken“, erläutert Dirk Böttcher.
Insgesamt betreut der FB2 Stand heute 30 geflüchtete Menschen aus der Ukraine in privaten Unterkünften und 16, die im JUZ Benzstraße untergebracht sind. Die anderen Geflüchteten sind bei hier lebenden Bürgerinnen und Bürgern untergekommen und werden dankenswerterweise auch von diesen betreut, was wiederum den FB2 in Teilen entlastet. Themen wie Gesundheitsversorgung stehen bei der Betreuung durch den FB2 ebenso auf der Agenda wie die einzelnen notwendigen Schritte für den Leistungsbezug. Denn von der Anmeldung im Dreieicher Rathaus bis zur Klärung der letzten Fragen mit der Ausländerbehörde des Kreises können einige Tage oder Wochen vergehen. Bis dahin versorgt das Team der Ukrainehilfe alle geflüchteten Menschen mit Spenden, sei es Kleidung vom Forum Nord oder Sachspenden, die in der Augst-Wienand-Anlage abgegeben wurden oder Lebensmittelgutscheine, die von den zahlreichen Geldspenden zur Verfügung gestellt werden können. Unverzichtbar für diese Unterstützung sind die zahlreichen ehrenamtlich Tätigen, die sich um das Sammeln, Sortieren und die Ausgabe der Spenden kümmern, aber auch Übersetzen oder mit organisieren. „Ich kann mich im Namen aller nur herzlich bei allen Unterstützern und Unterstützerinnen bedanken. Dreieich zeigt eindrucksvoll, wie es als Gemeinschaft zusammenhält und solidarisch den Menschen aus der Ukraine zur Seite steht“, sagt Bürgermeister Martin Burlon.
Nach der Akutversorgung der Menschen steht beim FB2 im nächsten Schritt direkt die Integrationsarbeit an. Neben der intensiven Beratung wurden beispielsweise wichtige Informationen zur Beschulung schulpflichtiger Kinder mit Kontaktadressen ins ukrainische übersetzt. Die seit Jahren angebotenen „Mama-lernt-Deutsch“-Kurse werden um zusätzliche Angebote für Ukrainerinnen erweitert. Neben dem Sprachunterricht wird eine Kinderbetreuung für den ungehinderten Besuch des Kurses angeboten. Da für Kindergartenplätze im gesamten Rhein-Main-Gebiet eine Übernachfrage besteht, läuft die Organisation von Spielgruppen für kleine, geflüchtete Kinder auf Hochtouren. Beratungen zur Gesundheitsvorsorge, Möglichkeiten der psycho-sozialen Betreuung, Konfliktberatung und vieles mehr sind täglich zu leisten.
Um einen größtmöglichen Erfahrungsaustausch und die Vernetzung der Flüchtlinge untereinander zu fördern, hat der FB2 in jedem Stadtteil Willkommenscafés initiiert und kooperiert dafür mit den Kirchengemeinden. Folgende Cafés werden angeboten bzw. organisiert:
Buchschlag: Ev. Evangelische Versöhnungsgemeinde Buchschlag-Sprendlingen jeden Freitag von 15.30 bis 17.30 Uhr im Buchweg 10.
Dreieichenhain: Kath. Kirchengemeinde St. Johannes, Datum und Uhrzeit werden direkt über die Gemeinde veröffentlicht.
Sprendlingen: Stadtteilzentrum in den Räumen des Familienzentrums der ev. Versöhnungsgemeinde wöchentlich ab 5. April, zweiter Termin 12. April, ab dem 20. April immer mittwochs von 15 bis 17 Uhr in der Hegestraße 91.
Cafés in Götzenhain und Offenthal sind in Planung.
„Ohne die Arbeit im Netzwerk wäre die Herausforderung der Flüchtlingsbetreuung auf Dauer nicht zu bewältigen“, bilanziert Ellen Grohe, Leitung des FB2. Nur gemeinsam lasse sich die Versorgung, Betreuung und Integration aller Flüchtlinge in Dreieich bewältigen. So verzahnt der FB2 seine Aktivitäten eng mit dem Forum Nord, dem Diakonischen Werk Offenbach-Dreieich-Rodgau, dem Kreis Offenbach, der Dreieich Bau AöR und den Kirchengemeinden. Zudem unterstützen die zahlreichen ehrenamtlich Tätigen, privaten sowie gewerblichen Spenderinnen und Spender, die Feuerwehren und natürlich die Mitarbeitenden in der Verwaltung, die in Notfällen auch mal rund um die Uhr zur Verfügung stehen. „Vom Hausmeister bis Sachbearbeitung ziehen wir alle an einem Strang und geben unser Bestes, um wirklich allen Anspruchsgruppen in Dreieich gerecht zu werden“, ist Ellen Grohe überzeugt. Für alle Bedürftigen in Dreieich da zu sein, dafür trete der FB2 jeden Tag an. Denn auch das Tagesgeschäft und die weiteren Tätigkeitsbereiche wie beispielsweise die Seniorenberatung, Betreuung von Menschen mit Behinderung, die Kinder- und Jugendförderung oder die Versorgung von Obdachlosen müssen weiterlaufen.